Der erste Lehrer
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Die Anfänge - Peter Meder 1605 bis ca. 1635

Das erste Schulhaus

Die Schule unseres Dorfes, sowohl als Einrichtung wie als Gebäude, geht allen Anzeichen nach zurück in die letzten Jahre des Georg Wolf von Hardheim, der am 8. August 1607 als Letzter seines Geschlechts verstarb und mit dem für unsere Vorfahren die weit über drei Jahrhunderte dauernde Junkerzeit zu Ende ging. Georg Wolf hatte sich im Mai 1600 zum dritten Mal verehelicht und als Wohnsitz Schloss Domeneck im milden, fruchtbaren Jagsttal (bei Züttlingen) zum Wohnsitz ausgewählt. Aber schon im nächsten Monat sah er sich genötigt, fluchtartig in das Hardheimer Stammschloss zu entweichen. Er hatte im Rausch einen 19-jährigen Diener erschlagen und musste so die Verhaftung durch den Zehntgrafen von Möckmühl befürchten. Zwar gewährte Kaiser Rudolf, an den sich der Totschläger gewandt hatte, kaiserliches Geleit und Sicherheit, weil dem Kaiser allein die Jurisdiktion (Rechtssprechung) über die freie Reichsritterschaft zustehe; aber dennoch scheint es Georg Wolf vorgezogen zu haben, fortan in Hardheim zu bleiben und zu wirken. Vielleicht ging er nach seiner erschütternden Erfahrung damals in sich und dachte als eifriger Protestant an Luthers Mahnung, dass es Pflicht der Obrigkeit sei, für die Untertanen Schulen zu bauen. Jedenfalls wurde 1605 (Das Datum ist errechnet nach dem Schulmeister-Einkommensverzeichnis von 1613, wo es heißt: "Schulhaus vor 8 Jahren gebaut worden, wol zu bewohnen, hat aber kein Scheuern.") neben dem Pfarrhof und gewiss auf einem Teil des dazugehörigen Grundstücks das erste Schulhaus errichtet und der erste Lehrer angestellt. Wenn auch keine Akte darüber vorhanden ist, so etwas kann nur mit Zustimmung des Höpfinger Vogtsherrn, eben unseres Georg Wolf, geschehen sein. Im Jahre 1607 ließen Georg Wolfs Erben im Inventar über dessen Hinterlassenschaft (StA Ludwigsburg: B 49a Bü 3, Familienarchiv Hardheim) folgende Erklärung niederlegen: "Die Collatur (= das Recht der Verleihung) der Pfarr und Schuel zu Höpffingen gehörtt denn Hartheimischen Aigens Erben zu, wie sie dann deßwegen, denn Pfarrherr und Schuelmeister zu pflichtenn anngenommen, Auch die Pfarr unnd Schuel, Inn dem Mainzischen Kauff Außgelassen, unnd dieselbe bevor behaltten, damit die underthonen, bey Ihrer Religion, der Augspurgischenn Confession bleiben möchtenn. Alß Auch nach getroffenem Kauff, die einraumung der güetter, von den Aigens Erben geschehen, hatt mann zu Höpffingen, Allein die Underthonen zum halbentheil, den Mainzischen Rhetten (Räten), unnd Beamptenn zu pflichten Angewießen, Aber den Pfarrherr unnd Schuelmeister, gar nit."



Der erste Schulmeister Peter Meder

Rainer Wagner als Peter Meder, beim Theaterspiel 2008



Der Schulmeister, auf den das Inventar von 1607 Bezug nimmt, der erste Lehrer in der Höpfinger Schulgeschichte, hieß, wie sich bald herausstellen wird, Peter Meder. Ein eigenartiger Zufall der Überlieferung will, dass wir uns gerade von ihm und seinen Lebensverhältnissen ein recht genaues Bild machen können. Seine Eltern, der Zimmermann Hans Meder und dessen Ehefrau, waren von auswärts zugezogen, vielleicht aus Hardheim, wo das Geschlecht der Meder schon 1456 vorkommt. Im Hartheimischen Leibeigenenregister von 1581 (!) findet sich dieser Eintrag: Hans Meder ist (als Leibeigener) angenommen worden im Jahr 1584 und sein Weib, zwei Kinder: Hans und Peter Wendel. Sohn Hans wurde wie der Vater Zimmermann und erscheint als solcher neben dem Vater in den mainzischen Musterungsrollen von 1611, 1617 und 1630. Im Vermögensverzeichnis von 1634 wird nur ein Hans Meder als kleiner Grundbesitzer aufgeführt, ein Zeichen dafür, dass Hans Meder, Vater, zwischen 1630 und 1634 gestorben ist. Peter Meder wird in den zitierten Akten nicht genannt. Er begegnet uns zum zweiten Mal, freilich immer noch ohne Namensnennung, in einem Bericht des eben erst -1613 - von Bischof Julius eingesetzten katholischen Ortspfarrers Maternus Keydel an die geistliche Behörde in Würzburg. Da heißt es: der ehemalige protestantische Schulmeister habe darum gebeten, ihn im Dienste zu belassen. Derselbe sei im Chorgesang etwas bewandert, ebenso auch im Rechnen, und was die Zeremonien und Gebräuche bei der Kirche anbelange, so wolle er dieselben soviel als möglich lernen.
Mit seinem wirklichen Namen begegnet uns der bisher hinter der Berufsbezeichnung versteckte Schulmeister erstmals in der Heiratsabred oder Ehebeteidigung, die er am 19. Mai 1618 (Sechs Tage später erfolgte auf der Burg in Prag der berühmt-berüchtigte Fenstersturz, von dem der Dreißigjährige Krieg seinen Ausgang nahm.) als erste in das von Schultheiß Georg Löhr neu angeschaffte Gerichtsprotokollbuch eingetragen hat. Ihr folgten bis zum 8./18. Februar 1634 52 weitere Eheverträge, alle mit geübter Feder und in guter Formulierung niedergeschrieben, so dass wir Jahrzehnte vor dem Einsetzen des ältesten Kirchenbuches (1649) über wichtige Vorgänge der Höpfinger Familiengeschichte Bescheid erhalten. Die Urkundsperson nennt sich in den Eheverträgen Peter Meder, Schulmeister, als unpartheyischer Schreiber oder Peter Meder, Schulmeister und Gerichtschreiber. Selbstredend war Peter Meder auch bei der schriftlichen Niederlegung anderer Rechtsvorgänge tätig: Testamente, Erbteilungen, Vergleiche, Kaufverträge, Abrechnungen zwischen einem Mündel und seinen zwei Vormündern, die Protokollierung eines über 80 Seiten umfassenden Erbschaftsstreites usw. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass Peter Meder für seine Tätigkeit als Urkundsperson von den Interessenten jeweils eine Gebühr zu beanspruchen hatte. Wenn wir seine Aufgabe im Dienste der Gemeinde und der Kirche überblicken, so war diese eine fünffache: er war Lehrer, Gerichtsschreiber, Mesner, Glöckner und Vorsänger.
Dementsprechend erhielt er seine Besoldung teils aus dem Kirchenfonds, teils von den Ortsbürgern. Nach einer Aufstellung, die 1613 gemacht wurde, als bei der Wiedereinführung des katholischen Bekenntnisses in Höpfingen die Pfarr- und Schulverhältnisse neu bestimmt wurden, standen ihm folgende Jahreseinkünfte als Schulpfründe zu: "4 Malter Korn, 7 Malter Haber, altes Höpfinger Maß, 18 Gulden vom Heiligen, d. h. aus dem Kirchenfonds 1 Ort = 1/4 Gulden auf ein Quartal von jedem Knaben, Von jedem Nachbaur (Nachbar, Ortsbürger) je ein Laib Brot, ein sogenannter Läutlaib für das Läuten der Kirchenglocken, ohne diejenigen, die obengenannte 7 Malter Haber geben, ein Krautgarten vom Heiligen, Wieswachs, daß er eine Kuh und ein Kalb darauf halten kann." Über das Schulhaus, in dem sich neben dem Lehr- oder Unterrichtszimmer Peter Meders Wohnräume befanden, wird mitgeteilt: "Vor 8 Jahren gebaut, wohl zu bewohnen, hat aber keine Scheuer." Und die hätte der Schulmeister gewiss nötig gehabt, um darin sein Heu und andere Vorräte unterzubringen; denn Peter Meder war zweifellos auch landwirtschaftlich tätig, wie übrigens alle seine Nachfolger einschließlich des 1889 verstorbenen Hauptlehrers und Schulleiters Maximilian Hartmann, von dem mir meine Mutter erzählt hat, dass er, einen breitkrempigen Hut tragend, als letzter Lehrer auf dem Felde gearbeitet habe.
Peter Meder war verheiratet. Seine Fau unbekannten Vornamens stammte aus der Familie des Jörg Sauer des Älteren. Die Eheschließung, die vor der Anlegung des Dorfprotokollbuches von 1618 stattgefunden haben muss, ist nicht ausdrücklich überliefert, aber als Peter Meder am 20. Juni 1624 den Heiratskontrakt für die ledige Tochter Apollonia des Jörg Sauer des Älteren einträgt, nennt er sich selbst als einen der Zeugen. Peter Meder, der Braut Schwager, ist da zu lesen.
Die letzten Jahre von Peter Meder waren gewiss noch aufregender als die ersten nach dem Aussterben der Hartheimer, mit der teilweise gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen Mainz und Würzburg über die Dorfherrschaft in Höpfingen und mit der tiefgreifenden konfessionellen Umstellung.
Im November 1631 erlebte er den Einbruch der Schweden und die dabei erfolgte Einäscherung von etwa 12 Gebäuden, dann die zweidreivierteljährige schwedisch-weimarische Besetzung mit der kurzlebigen Einführung des evangelischen Pfarrers Johannes Roschius und schließlich, nach der Schlacht von Nördlingen (6. September 1634), den Einmarsch der kaiserlichen Truppen und die damit verbundenen Einquartierungen und Drangsale, die am Ende so unerträglich wurden, dass die Höpfinger von Haus und Hof entwichen und - wahrscheinlich - hinter den Stadtmauern von Walldürn Schutz suchten. (Brief des mainzischen Vogtes Löhr, der von Hardheim nach Külsheim geflüchtet war, an den mainzischen Oberamtmann zu Tauberbischofsheim GLA Karlsruhe 345/120 Zg. 1908) Das geschah irgendwann im Laufe des Jahres 1635. In diesem Jahre dürfte Peter Meder gestorben sein, wie auch Schultheiß Georg Löhr, dessen formulierender und schreibender Mitarbeiter er jahrzehntelang gewesen war.

Zusatz zu Peter Meder:
Wenn noch ein Zweifel bestehen sollte, ob der im Inventar von 1607 und der von Pfarrer Keidel 1613 angeführte protestantische Schulmeister - beidemal keine Namensnennung - mit dem Schulmeister Peter Meder gleichgesetzt werden dürfe, so wird dieser behoben durch ein Schreiben des bereits bekannten mainzischen Vogtes Georg Löhr zu Hardheim an seinen Vorgesetzten, den mainzischen Oberamtmann zu Miltenberg. Darin erstattet er ausführlichen Bericht über die den mainzischen Stellen höchst unerwünschte Präsentation des evangelischen Pfarrers, Herrn Johannes Roschius, die auf Veranlassung des weimarischen Konsistoriums in Würzburg am 24. Juni 1634 in der Kirche zu Höpfingen durch Schultheiß Georg Löhr vorgenommen worden war. Zum Schluss teilt der Vogt mit: "Weil der Schulmeister zu besagtem Höpfingen, so de anno 1611 in mainzische Pflicht und Dienste genommen worden, die Kirche geöffnet, in die Kirche geläutet und dem Singen gleich zuvor beigewohnet, habe ich, der Vogt, ihn nach verrichteter Kirche verbeschieden und befragt, ob ihm von den Würzburgischen schon wegen seines Schuldienstes etwas vorgehalten worden sei oder er sich vielleicht in würzburgische Pflichten eingelassen habe. Darauf er, Schulmeister, geantwortet, daß er in den mainzischen Pflichten, so er Anno 1611 geleistet, noch sei, auch bis dato weder von der vorigen noch von der jetzigen würzburgischen Herrschaft wenigst nichts zugemutet oder begehrt worden," d. h. weder von der Regierung des 1631 geflohenen würzburgischen Bischofs Philipp Adolf von Ehrenberg noch von der derzeitigen des Herzog Bernhard von Weimar sei eine neue Verpflichtung oder Eidesleistung verlangt worden.



Kerbhölzer

Ein weiterer Zusatz: Peter Meder war auch außerhalb seines Berufes ein geschickter Mann. So verstand er sich auf die Anfertigung von Kerbhölzern, jene urtümliche und während des ganzen Mittelalters beliebte Form der Schuldverschreibung, die in unserem Landstrich offenbar auch noch in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts üblich war. Ein aus Peter Meders Hand hervorgegangenes Kerbholz hat ihn längere Zeit überdauert. Unter dem 8. Oktober 1652 findet sich im Dorfprotokollbuch folgender Eintrag: 21 Gulden hat Schuldforderung Michel Dörr zu Dornberg laut von hievorigem Schulmeister zu Höpffingen, Peter Meder, beschriebenem Kerbholz.
Auf Kerbhölzern - ob von Peter Meder hergestellt, bleibt unbekannt -, waren auch die Guldenbeträge festgehalten, die Jörg Münch von Adelsheim und Velten Nenninger von Buchen ihrem Schwäher Burkhard Sansch in Höpfingen schuldeten, wie der ebenfalls im Dorfbuch zu findende Vergleich vom 12. Februar 1622 dartut.



Nachbildung zweier Kerbhölzer 



Kerbholz:
Eine urtümliche, aber während des ganzen Mittelalters übliche Form der Schuldverschreibung. In die aneinandergelegten Hälften eines längs gespaltenen Holzstabes wurden durch quer eingeschnittene Kerben von besonderer Bedeutung für den Gläubiger wie für den Schuldner das eingegangene Geldgeschäft vermerkt. Gläubiger und Schuldner bekamen je eine der Hälften. Wurde die Schuld zurückgezahlt, so überließ der Gläubiger seine Hälfte dem Schuldner und bestätigte dadurch die Tilgung der Schuld.



Eine lehrerlose Zeit 1635-1651

Peter Meder, der im Ehevertrag vom 8./10. Februar 1634 (Dorfbuch 1618/1808) zum letzten Mal bezeugt ist, hat keinen unmittelbaren Nachfolger gefunden. „Es ist bei 16 Jahr kein Schulmeister da gewesen", stellt kurz und bündig die Pfarrbeschreibung von 1653 (Pfarrer Kaiser S. 38 (S. 29) nach einer Urkunde im STA Würzburg) fest. Als der erste Höpfinger Schulmeister 1635 oder vielleicht auch erst 1636 aus dem Leben schied - wie sich dieses Datum errechnet, wird bald klar werden, - begannen für unser Dorf wie für das ganze Vaterland jene zwölf, dreizehn Jahre, die den Dreißigjährigen Krieg zum verheerendsten und verlustreichsten aller Kriege in Deutschland werden ließen, selbst wenn man den Zweiten Weltkrieg mit in Betracht zieht. Der um des wahren Glaubens willen entbrannte Kampf, in dem nun das katholische Frankreich, mit dem protestantischen Schweden verbündet, gegen den katholischen Kaiser zu Felde zog, entartete zu einem Zermürbungs- und Ermattungskrieg. Seinen Schrecken war vor allem das ungeschützte flache Land preisgegeben. Feind und Freund saugten durch immer neue Einquartierungen und Requisitionen unsere damaligen Vorfahren derart aus - es gab im Dorf schon die Böhrer, Dörr, Eiermann, Fürst, Heffner, Sauer, Seufert-, dass die Obrigkeit sich genötigt sah, jahrelang auf das Einziehen der herkömmlichen Natural- und Geldabgaben zu verzichten. Kein Wunder, wenn bei solcher Not und Drangsal niemand in Höpfingen auf den Gedanken kam, sich nach einem neuen Lehrer umzusehen und diesen wie einen Dienstboten oder Hirten von Jahr zu Jahr neu zu dingen.
Die erste Notiz dieser Art erscheint in der Burgermeisterrechnung 1653/54: „1 f 6 f Alß der Schuelmeister wiederumb uff ein Jahr lang gedingt, zue Weinkauff uffgangen".
Eine weitere findet sich in der Heiligenrechnung 1666/67: „1 f 50 Cr. durch ein gantz Ehrbar gericht alß man den Schuelmeister ahn genohmen verzehrt worden."
Die letzte bekannt gewordene steht in der Burgermeisterrechnung von 1713: Dem Schulmeister werden 20 Kreuzer für Weinkauf verwilligt.